Demokratiefeinde, Wetterextreme, Kriege und leere öffentliche Kassen bringen neue Herausforderungen für die Klimabildung mit sich. Auch wenn diese Themen aktuell mitunter übermächtig erscheinen, gibt es Möglichkeiten für neue Ansätze und positive Vorbilder. Das hat die Fachtagung „Klimabildung in Zeiten multipler Krisen“ gezeigt, die am 7.11.2024 in Berlin-Charlottenburg stattfand.
Die Klimakatastrophe wird immer offensichtlicher. In vielen Regionen der Erde sind Hitzerekorde und Überflutungen fast schon der neue Normalzustand. Aber angesichts multipler weltweiter Krisen zeigt sich bei immer mehr (auch jungen) Menschen eine gewisse Müdigkeit für Klimathemen. Was bedeutet das für den Unterricht und die Lerninhalte in der Schule? Wo liegen die größten Hindernisse für gute Klimabildung und was hilft dagegen?
Diese und weitere Themen wurden bei der 26. Fachtagung Klimaschutz an Schulen „Klimabildung in Zeiten multipler Krisen“ von inspirierenden Gästen vorgestellt und gemeinsam diskutiert. Eingeladen zur Teilnahme waren Lehrerinnen und Lehrer sowie weitere Aktive und Multiplikator*innen der Klimabildung aus Berlin. Nach drei Impulsvorträgen gab es in diversen Praxis-Workshops das Handwerkszeug für konkrete Änderungen im Schulalltag. Auch für das Networking mit anderen Aktiven war genügend Zeit.
Transformative Bildung nur ein ‚Add On‘?
Den ersten Impulsvortrag gestaltete Dr. Antje Brock vom Institut Futur der Freien Universität Berlin. Sie stellte unter dem Titel „Transformative Bildung für Nachhaltigkeit: Bisher nur ein ‚Add On‘ im Bildungssystem? Wie kann effektive Befähigung gelingen?“ anhand von Studienergebnissen und Metaanalysen den aktuellen Stand der Forschung vor. Gerade junge Menschen haben mitunter kein Vertrauen mehr in Problemlösungen, sie erleben eine Diskrepanz zwischen der wahrgenommenen (kollektiven) Selbstwirksamkeit und der wahrgenommenen Größe der Nachhaltigkeitsprobleme. Das könne zu Überforderung, Verdrängung, Wunschdenken und Fatalismus führen. Bei der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) seien neue Ansätze gefragt, damit sich Lehrende und Lernende besser befähigt sehen für positive Veränderungen. Die Verlagerung vom Fuß- zum Handabdruck sei dabei ein guter Ansatz, um aktiv etwas für viele Menschen zu verändern.
Ist Wandern jetzt rechts?
„Naturliebe und Menschenhass: Rechte Narrative und Menschenfeindlichkeit in der Umweltbildung“ war das Thema des zweiten Impulsvortrags. Robin Bell von der Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz (FARN) der NaturFreunde Deutschland zeigte dazu Beispiele aus der Arbeit der Fachstelle. Dabei entpuppe sich bei genauem Hinsehen ein eigentlich harmlos anmutendes Survival-Training schon mal als Veranstaltung mit klarem Bezug zur Neonazi-Prepperszene. Natur- und Umweltschutz werden teilweise bewusst für „Heimatschutz und Volksschutz“ vereinnahmt. Dabei zeigten sich deutlich Bestandteile eines rechtsextremen Weltbildes und historische Kontinuitäten bis zur „Blut und Boden“-Ideologie. Erlebnis- und Umweltpädagogik führten dabei koloniale Kontinuitäten fort, die bis in das deutsche Kaiserreich zurückreichen. Publikationen und Bildungsangebote der Fachstelle sind unter www.nf-farn.de zu finden.
Die Futur3-Klasse des Goethe-Gymnasiums Lichterfelde
Die erste Klimaklasse Berlins wurde im dritten Impulsvortrag der Fachtagung von den Lehrern Sven Kozelnik und Stephan Noth vorgestellt. „Klimaschutz im Schulalltag – Erfahrungen einer aktiven Umweltschule“ konnten sie vom Goethe-Gymnasium Lichterfelde berichten, an dem beide die Futur3-Klasse betreuen. Bereits zum dritten Mal konnte jetzt eine Klasse des Beginner-Jahrgangs als Klimaklasse eingerichtet werden, es gab erneut mehr interessierte Schüler*innen als Plätze. Dabei galt es anfangs, viele Herausforderungen auf institutioneller und personeller Ebene zu bewältigen, obwohl das Goethe-Gymnasium schon seit vielen Jahren als Umweltschule und mit Klima-AGs aktiv ist. Für die Futur3-Klassen gibt es fächerverbindenden Unterricht, Kooperationen mit außerschulischen Lernorten und viele Stadt-, Kiez- und Schulprojekte, die gemeinsam mit den Schüler*innen entwickelt werden. Weitere Informationen gibt es auf der Schul-Website: https://goethe-gymnasium-lichterfelde.de/pluspunkte/futur3.
Im zweiten Teil der Tagung fanden diverse Praxis-Workshops statt. Hier gab es viele Informationen und Tipps für die Vor-Ort-Arbeit der Klimabildung. Die Themen waren vielfältig: Wie kann Klimaschutz trotz Zeit- und Ressourcenmangel im Schulalltag gelingen (UfU)? Wie lässt sich umweltfreundliche Mobilität für die ganze Schule erfolgreich umsetzen (BUND)? Sind Wandern und Schnitzen jetzt rechts – was hilft gegen rechte Narrative in der Natur- und Umweltbildung (FARN)? Passen kulturelle Bildung und Schools of Sustainability zusammen (HKW, UdK)? Klimabildung und städtische Infrastruktur – welche neuen Lehrmaterialien gibt es (KlimaMacher.berlin)? Wie funktioniert praktisches Energiesparen an Schulen – Methoden, Möglichkeiten, Motivation (UfU)?
Mit mehr als 80 Teilnehmenden zeigte die Nachfrage von Lehrenden aus dem Bereich der Umwelt- und Klimabildung erneut die große Relevanz einer solchen Fachtagung. Das Oberstufenzentrum Kraftfahrzeugtechnik hat die Fachtagung mit seiner Gastfreundschaft und den schuleigenen Räumlichkeiten unterstützt.
Die jährlich stattfindende Fachtagung ist Teil des prämierten Projekts KlimaVisionen und wird vom Kompetenzzentrum Klimaneutrale Schulen des gemeinnützigen Umweltinstituts UfU e.V. im Auftrag der Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt durchgeführt. Bei Fragen und für mehr Informationen können Sie sich an Daniel Buchholz (daniel.buchholz@ufu.de) wenden. Die Fachtagung ist als offizielle Fortbildung des Landes Berlin anerkannt.